Warum Sonderabfüllungen oftmals knapp sind

Die ewige Jagd nach dem Schnäppchen

Das Jahr 2015 ist vorüber. Und mit ihm auch die Jagdsaison auf die eine oder andere Sonderflasche. Mir fallen ganz spontan Adbeg Perpetuum, Glenmorangie Tùsail und Highland Park Odin ein. Und da der Homo sapiens den Großteil seiner Evolution als Jäger und Sammler zurückgelegt hat, beginnt in diesem Jahr schon zu Ostern die Whiskyjagd aufs Neue.

Erste kapitale Flaschen wurden bereits gesichtet. Natürlich stammen sie erneut von den oben genannten Spezies ab. Glenmorangie Milsean, Ardbeg Dark Cove und Highland Park ice sind auf dem Markt. Entsprechend beginnen die Telefone zu klingeln und die richtigen Jäger versuchen viele Hochsitze zu besteigen, um einen Jagderfolg zu erzielen.

Doch genug von diesen Gleichnissen. Wer richtig scharf auf so eine Flasche ist, der ruft viele Händler an und versucht überall seine Flasche zu reservieren. Und wenn man bei mehr als einem Händler Erfolg hat, dann warten bereits die Versteigerungsplattformen im Internet, wo die Flaschen ruck-zuck das Doppelte an Erlös bringen. In der Finanzwelt nennt man ein solches Geschäft Arbitrage. Man nutzt den Preisunterschied auf verschiedenen Märkten zur Gewinnabschöpfung aus.

Die jährlichen Sonderabfüllungen laufen nun schon seit rund 10 Jahren mit zunehmendem Erfolg. Während anfangs von diesen Flaschen auch im Folgejahr noch Exemplare verfügbar waren, so stieg von Jahr zu Jahr die Nachfrage weiter an. Es sprach sich herum, dass diese Whiskys ungewöhnliche Qualitäten aufwiesen und sich mit hohem Gewinn im Sammlermarkt verkaufen ließen. Und mit diesem späteren Gewinn konnte man drei Flaschen der aktuellen Sonderabfüllungen kaufen. Eine zum Genießen, eine zum Sammeln und eine wie gehabt, zum späteren Verkauf. Dieses System war ein Selbstläufer und finanzierte so manche Whiskysammlung.

Mit der größeren Nachfrage und den steigenden Flaschenanzahlen pro Sonderabfüllung reduzierten sich aber auch die Bestände an besonderen Fässern. Erhielt man früher lang gereifte Whiskys mit Altersangabe in diesen Sonderabfüllungen, so beherrschen heute Flaschen ohne Altersangabe den Markt der Sonderabfüllungen. Sammlern ist das ziemlich egal - aber die Genießer fangen hörbar an zu murren. Die sozialen Medien sind voll davon.

Warum füllt eine Brennerei überhaupt Sonderabfüllungen ab? Dafür gibt es prinzipiell drei Gründe. Einmal dienen diese Sonderabfüllungen der Kundenpflege. Selten ist ein Kunde von einer Brennerei so überzeugt, dass er nur noch Whisky dieser Brennerei genießt. Single Malt Whisky lebt eher von der Vielfalt. Eben von den unterschiedlichen Geschmacksprofilen der Brennereien. Wenn nun ein Liebhaber von einer Sonderflasche seiner Lieblingsbrennerei erfährt, dann wird er gerne zugreifen. Er liebt die Variation und er hat wenig Geschmacksrisiko, weil er den grundlegenden Geschmack der Brennerei bereits kennt und schätzt.

Dieses Kunde-Brennerei-Verhältnis ist eine Win-win-Situation. Und damit kommen wir zum zweiten Grund. Die Brennerei kann dem Kunden eine Flasche mehr verkaufen und sich gegen die Konkurrenz behaupten. Und da es sich um eine Sonderflasche handelt, kann man auch noch einen Schein (oder zwei) mehr verlangen. Die Gewinnsituation wird besser.

Der dritte Grund ist mehr langfristiger Natur. Durch die Kommunikation dieser Sonderabfüllungen im Markt erzielt die Brennerei einen Zugewinn an Aufmerksamkeit. Die Marke wird bekannter und auch die regulären Flaschen rücken mehr ins Bewusstsein anderer Whiskygenießer. Obwohl man Sonderflaschen teurer im Markt verkauft und den Gewinn dabei anhebt, gewinnt die Marke damit an Ansehen und Verbreitung. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil im heiß umkämpften Whiskymarkt.

Doch kein Lauf hält ewig. Es wäre so schön gewesen, wenn man dieses Spiel auf ewig hätte weiter treiben können. Die Nachfrage nach diesen Sonderflaschen explodierte nachdem die Finanzkrise überwunden war und die Sonderflaschen waren nur noch wenige Tage in den Shops verfügbar. Zudem nahm der Vertriebsaufwand der Händler mit diesen Flaschen extrem zu. Auf jede verkaufte Sonderflasche kam ein Vielfaches an Telefonaten und versuchten Reservierungen. Zudem wurde die Anzahl an eintreffenden Flaschen immer seltener richtig vorab kommuniziert. Reservierungen für Kunden konnten nicht erfüllt werden und Anzahlungen mussten zurückerstattet werden.

Die Händlerschaft reagierte, wie es der Markt ihnen vormachte. Statt die empfohlenen Verkaufspreise für die Flaschen zu verlangen, erhöhten sie die Preise bei jeder Neuerscheinung. Schließlich kippte die Stimmung unter den Sammlern und Genießern. Warum sollten Sie weiterhin diese Sonderabfüllungen erwerben? Warum für Flaschen ohne Altersangabe dreistellige Preise bezahlen? Und auch der spätere Verkauf im Internet versprach immer geringere Margen. Konnte man früher locker 100% Aufschlag erzielen, so sank diese Marge schließlich auf 20 bis 30%. Dazu kam noch der dreistellige Preis, der in gewisser Weise auch das finanzielle Risiko erhöht. Und nicht zuletzt kamen die Spekulanten immer seltener zum Zug. Die Anzahl an Flaschen waren einfach zu gering, und die Genießer waren bereit, mehr Geld als die Spekulanten auszugeben.

Mit dem Highland Park Odin führten wir im Shop von The Whisky Store zur Sondierung des Marktes ein Experiment durch. Statt die vorgeschlagenen 300 EUR für die Flasche zu verlangen, boten wir die Flaschen im Internet-Shop zu 600 Euro an. Ein irre hoher Preis, völlig abgehoben von der Realität. Wir wollten den Whisky so teuer machen, dass ihn Niemand mehr unmittelbar kauft. Dazu schrieben wir, dass wir in unregelmäßigen Abständen den Preis um unterschiedliche Beträge unangekündigt senken würden. Man müsse eben nur solange mit dem Kauf warten, bis man in seine preislich passende Region käme.

Fachlich nennt sich das eine umgekehrte Auktion. Wir gingen davon aus, dass wir zahlreiche Wochen für den Verkauf der dreistelligen Anzahl an verfügbaren Flaschen benötigten. Doch welche Überraschung mussten wir erleben? Ohne ein einziges mal den Preis gesenkt zu haben, verkauften wir sämtliche Flaschen zum doppelten des vom Hersteller angedachten Preises an einem Wochenende.

???

Wir waren, gelinde gesagt, ratlos. Wie konnte das geschehen? Was war der Grund für dieses Verhalten der Kundschaft? Die Gesetze des Marktes waren scheinbar ausgehebelt. Die richtige Whiskyflasche lässt sich wohl zu jedem Preis verkaufen. Hatten wir Geld verschenkt? Hätten wir auch 900 oder 1.200 Euro verlangen können? Wann wird so ein Verkauf unmoralisch?

Nach einiger Zeit des Nachdenkens sind wir auf die Lösung des Rätsels gekommen. Die Anzahl an Millionären nimmt global stetig zu. Rund 1% Einkommensmillionäre gibt es in den entwickelten Staaten. Bei einer westlichen Bevölkerung von 1 Mrd. Menschen entspricht dies etwa 10 Mio. Individuen, die sich keine großen Gedanken mehr um den täglichen Einkauf machen müssen. Aber diese 10 Mio. Menschen sind nun nicht gleichbedeutend mit Whiskykäufern … schön wär's ;-)

Whiskygenießer gibt es nach unseren Berechnungen in Deutschland etwa 0,2 bis 0,3%. Dabei definieren wir diesen 'Durchschnittsgenießer' als Jemanden, der mindestens ein halbes Dutzend bessere Whiskyflaschen pro Jahr erwirbt. Deutschland ist in Sachen Whiskykonsum aber immer noch ein Schwellenland. In unseren Nachbarländern ist die Zahl dieser Genießer sicherlich doppelt so hoch. Rechnen wir konservativ mit 0,3%, so befinden sich unter den 10 Mio. Millionären 30.000 Whiskygenießer.

Trifft also eine Sonderflasche auf den Puls der Genießer, so kann man für Auflagen kleiner als 30.000 Flaschen so ziemlich jeden Preis verlangen. Der Markt wird sie entweder sofort direkt, falls man Zugriff auf diese Millionäre hat, oder indirekt über spätere Arbitragegeschäfte aufnehmen.

Dieser Millionärs-Effekt hat nun erhebliche Auswirkungen auf die Whisky-Szene. Hochwertige Sonderflaschen mit einem echten Mehrwert, wie z.B. einem hohen Alter, lassen sich zu beliebigen Preisen verkaufen. Ich erinnere mich gerne an die alten 40- und 50-jährigen Originale von Macallan. Sie waren nicht zu bekommen, astronomisch teuer und wanderten von der Herstellung direkt in die Safes oder Kehlen der Superreichen. Whisky wurde damit zur Zweiklassengesellschaft. Doch wer sollte es den Herstellern verübeln? Besonders einem Hersteller wie Macallan, der sich in der Hand einer wohltätigen Stiftung befindet. Genießen für einen guten Zweck. Wo kann man das schon.

Diese Nichterreichbarkeit der wirklich interessanten Sonderabfüllungen hat aber auch die normalen Genießer erzürnt. Wie heißt es so schön im Volksmund: Hängt man die Wurst zu hoch, springt der Hund nicht mehr. Warum soll ich die normalen Whiskys einer Brennerei kaufen, wenn ich nicht einmal die kleinste Chance habe, eine der Sonderflaschen zu erhalten? Früher konnte man sich noch anstrengen. Heute dagegen zählt der Preis. Während es bei Luxusgütern wie Rolex, Bulgari oder Louis Vuitton keine wirklichen Einstiegsmodelle für die Masse gibt, muss sich der Whiskygenießer diese Trennung zwischen Luxus und gemeinem Volk gefallen lassen. Das kommt nicht immer an. Obwohl man als Hersteller einen riesigen Erfolg hat, erodiert der Markenwert.

Heute (2016) ist ein erstes Umsteuern der Hersteller erkennbar. Von den Sonderabfüllungen des Jahres 2015 sind immer noch Flaschen erhältlich. Zugegeben zu anspruchsvollen Preisen, aber immerhin. Die abgefüllten Mengen konnten durch den Wegfall der Altersangabe wieder erhöht werden. Und der damit einhergehende Druck auf den Preis lässt die Sammler und Genießer wieder aufatmen.

Am Ende gibt es dennoch zwei Verlierer. Zum einen den Genießer, der nun mit Whiskys ohne Altersangabe vorlieb nehmen muss. Und zum zweiten den Spekulanten, der mit den wieder steigenden Flaschenzahlen weniger Chancen auf Arbitragegewinne hat.